Seit nunmehr einem Monat weile ich hier und ohne
große Ausflüge zu tätigen ereignete sich hier in den vergangen Wochen genug:
Offiziell hat die Uni bereits vor drei Wochen
angefangen, einen entsprechenden Alltag erlebe ICH jedoch erst seit dieser
Woche. Denn vorerst wurde ich in einen utopisch hohen Kurs eingestuft, der als
Krönung noch im wahrscheinlich heruntergekommensten Gebäude der Uni
stattgefunden hat. Herausforderungen sind ja nett, aber quälen und unwohl
fühlen möchte man sich ja auch nicht. Somit habe ich beschlossen die Klasse zu
wechseln, was sich als die bislang größte Herausforderung, aber beste
Entscheidung des vergangenen Monats herausstellte. Zu gerne vergleiche ich es
mit dem Asterix Film, bei dem sich die beiden im Irrenhaus um den Passierschein
A38 bemühen:
Englisch spricht in der Verwaltungsebene niemand und überhaupt:
Wer verwaltet diese Universität eigentlich? Für mich hat sich jedenfalls
niemand verantwortlich gefühlt und wenn mein Anliegen mal verstanden wurde war
man nicht zuständig oder 100% davon überzeugt, dass ein Kurswechsel unmöglich
sei. Der ein oder andere schaffte es zu einem „that is law, that is hirachie“!
Wenn man dann das Gefühl hatte das Büro eines Verantwortlichen gefunden zu
haben, befand sich dieser mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit in der
Mittagspause – unter uns: „Büro“: chaotisch, wenig liebevoll, Plüschtiere
überall?!
Offensichtlich war der Kurswechsel ein sehr
deutsches Phänomen, sodass ich bald deutsche Leidensgenossen gefunden habe. Vier
Tage lang haben wir uns bemüht, in Phasen der Verzweiflung oder Wartezeiten bei
einem kühlen Ananasbier in der Sonne Good Old Germany gelobt und uns
gegenseitig daran erinnert, dass wir das ganze doch mit Humor nehmen wollten… und
eines Nachmittags saß doch tatsächlich der Dekan höchstpersönlich in seinem
Büro, welcher uns ohne zu zögern auf ein altes Schmierpapier die erlösenden
Worte schrieb „Anna Böhm darf den Kurs wechseln“. Plötzlich ging alles ganz
einfach…! Ein Stein fiel uns vom Herzen, unterm Strich eine sehr interessante
Erfahrung. Und als Belohnung habe ich mir dann auch meine erste Maniküre
gegönnt, Tiefenentspannung!
Unibeginn in Woche zwei? Fehlanzeige! Eigentlich
hatte ich ausschließlich den Wunsch nach Ruhe, doch diesmal war das
Alternativprogramm jedenfalls sinnvoll, spannend und beinhaltete ein klein
bisschen Heimat: Frau Buch, Herrn Kohler, Frau Harsch und weitere Ökonomen aus
Tübingen und der Welt kamen nach Peking, um die ersten Ergebnisse ihres
Forschungsprojektes „Europe’s Global Linkages and the Impact oft he Financial
Crisis“ zu präsentieren.
Auch wenn ich mich streckenweise Fehl am Platz fühlte
waren es unheimlich interessante Einblicke. So hat jeder Projektteilnehmer
seine Forschungsergebnisse präsentiert, worüber im Anschluss kurz diskutiert
wurde. Themen waren
z.B. Immigration and Outsourcing; Market Structure in the Banking Sector:
Cross-Border Banking; International Competition, Market Access and Job
Reallocation with Evidence from China u.v.m.
Anschließend wurden Herangehensweise, Quantitative
Methoden und Ergebnisse diskutiert.
In unserem Fall war die Atmosphäre sehr familiär.
Bei vergleichbaren Veranstaltungen könne es wohl auch sehr viel rauer oder gar
unsachlich zugehen (Na, im genannten Workshop hat ja auch keiner Hypothesen
„verworfen“;-))! Außerdem habe ich dort das wahrscheinlich beste Essen des
ganzen Semesters genossen: Putenbrustmedallions auf Brokkoli mit
Mandelsplitter, Zucchini im Tomatenbett,
Pralinen vom Feinsten, herrlich!
Zurück zur Leitlinie meiner Pekingerzählungen: Die
Kontraste! Das Sino-German-Center for Research Promotion ist eine unheimlich
Moderne Anlage unweit der Universität, seht selbst.
Unvorstellbar, dass einen wenige Meter weiter die
Armut schon wieder einholt, abgebildet ein „Frisörsalon“ auf der
gegenüberliegenden Straßenseite.
So durfte auch ich in China in den Genuss der VWL
kommen, denn ansonsten besuche ich hier ja „nur“ drei Sprachkurse: Sprechen,
Grammatik und Hören. Meine Lehrer sind unheimlich herzlich (wenn auch pädagogisch
nicht sehr bewandert) und auch mit meinen Klassenkameraden verstehe ich mich
sehr gut, natürlich wieder mal keine Einheimischen;-)! Bei einer Klassengröße
von 10 Personen lernt man sich schnell kennen und diese Woche habe ich sogar
ein Kurstreffen organisiert, bei dem wir zusammen Chinesisch essen waren.
Vielleicht kommt das ja schon Bald öfter vor: - )!? Da wir ausversehen
Hühnerfüße bestellt haben, durfte ich auch mal in den Genuss kommen (:-* an
Julia). Aber abgesehen davon, dass es gruselig aussieht schmeckt es auch nicht sehr
anders, als alle anderen mir bekannten Körperteile von Geflügel…
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Unser schnuckeliger Klassenraum |
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Meine Klassenkameraden |
In den Mensen ist das Essen nicht ganz so exotisch,
obwohl ich oftmals nicht weiß, was wir dort genau aufgetischt bekommen. Da ich
die Bezeichnungen auch nicht lesen kann, habe ich schon das ein oder andere
überraschende Geschmackserlebnis hinter mir, vor allem was Schärfe oder
exotische Gewürze angeht (denn das sieht man den Speisen vorher nicht an). Aber
mit Reis, Hühnchen und Gemüse kann man eigentlich kaum etwas falsch machen.
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In der Mensa: Ich möchte keine Beschwerden mehr von euch hören, dass so viele Asiaten unter euch sind;-) |
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Meine Lieblingsmensa. Hier greift man einfach zu, wenn etwas appettitlich aussieht! |
Zur Auswahl habe ich on Campus ca. 10 Mensen. Was
ich damit sagen will? Der Campus ist gigantisch groß, quasi ein kleines Dorf.
Hier gibt es alles, bis auf geregelten Verkehr: Supermärkte, Restaurants,
Cafes, Apotheken, Schuhmacher, Fahrradwerkstätten (wichtig! Rund laufen die
nie! Bei mir ist aber bislang nur die Pedale bei einer minimalen Steigung abgefallen
und eine nette Dame vor dem Supermarkt hat die Luft aus meinem Reifen gelassen,
weil ich angeblich nicht auf dem offiziellen Radparkplatz geparkt habe, bei dem
sie an mir stolze 0,001 Cent hätte verdienen können! Konnte das entsprechende
Hinweisschild leider nicht lesen und musste es auf diesem Weg erfahren!) ,
Parkanlagen, Seen und ein paar Unigebäude;-)!
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Menschenmengen on Campus: Bei dem Bild fragt ihr euch wahrscheinlich, wie ich es schaffe nur mit Internationals in Kontakt zu gelangen;-) |
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Mein Wohnheim |
Nachdem ich also endlich einen Alltag lebe, muss
ich mich auch schon wieder in die Nationalferien verabschieden, anlässlich des
Mondfestes. Ich weiß nicht, was das ist und möchte es einfach auf mich zukommen
lassen. Im Übrigen ist es äußerst pfiffig einem Land, welches 1.339.724.852
Einwohner
zählt zeitgleich eine Woche Ferien einzuräumen! In den Großstädten herrscht
Chaos und die öffentlichen Verkehrsmittel sind ausgelastet. Bei mir geht es für
vier Tage in die Innere Mongolei, freut euch auf Berichte!
Zu guter Letzt noch Erlebtes ohne Struktur, das ich
gerne teilen möchte:
1. Ich erwähnte ja bereits, dass der
Zweiradverkehr hier immens ist und dass man gerne auch mal zu 3. auf einem
Roller fährt, natürlich ohne Schutzhelm. Sprachlos war ich allerdings, als ich
die Tage einen Rollerfahrer gesehen habe, der hinter sich seinen Kinderwagen
herzog!
2. Die Kinder gucken mich immer an, als
sei ich außerirdisch: weite Augen, offener Mund, aber irgendwie putzig! Viele
Kinder winken mir auch!
3. Apropos Kinder: Es ist unheimlich
auffällig, dass es hier nur Einzelkinder gibt, sehr ungewohnt!
4. Vielleicht habt ihr von dem
Inselkonflikt zwischen China und Japan in den Nachrichten gehört. Als wir uns
in der Pause darüber unterhalten wollten, haben wir das Gespräch nach wenigen
Minuten eingestellt. Aus irgendwelchen Gründen fühlt man sich ungut dabei frei
über derartiges zu sprechen und es ist mit Sicherheit auch nicht gewünscht. Ich
verstehe die TV-Nachrichten hier leider nicht, aber ein Freund deutete an, dass
die dortige Darstellung der Situation sehr einseitig sei!
5. Nachdem die Leute hier ja schon einen
fetten Minuspunkt in Sachen Organisationstalent gemacht haben, können sie auch
im Verkehr auf dem Campus nicht bei mir Punkten. Hier wird kreuz und quer
gefahren und gelaufen! Habe in den letzten drei Wochen hier schon mehr
geflucht, als die letzten 22 Jahre in Deutschland. Vielleicht liegt es auch
daran, dass ich die Gesichtsausdrücke noch nicht deuten kann, doch auf mich
wirkt es so, als fahre hier niemand vorausschauend, äußerst anstrengend. Aber
vielleicht ändert sich der Eindruck ja, wenn ich nächste Woche meine
Languagepartnerin kennen lerne und „die Chinesen“ nicht mehr als Masse sehe,
sondern Persönlichkeiten kennen lernen darf!
Jedenfalls geht es mir soweit gut. Ich denke das
Einleben dauert hier einfach ein paar Tage länger, als bei euch. Mittlerweile
muss ich es mir aber tatsächlich schon oft vor Augen halten, dass ich gerade in
PEKING bin! Das vergisst man trotz all der Kuriositäten schon mal.
Ich drücke euch alle und freue mich immer von euch
zu hören!
Abschließend noch einige Fotos:
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Im Anklang an Timos Suchbild: Wer findet die Europäerin? |
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Kann mir jemand den Busplan erklären? Ich verstehe nur "Bahnhof" ;D? |
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Ein Ausflug in die Innenstadt hat gezeigt, wie gut die Luft doch im Univiertel ist: Smog über der Verbotenen Stadt |