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Freitag, 23. November 2012

Alltag: Erkältung

„Klar, als europäische Nicht-Raucherin, die den Großteil ihres bisherigen Lebens in Hähnlein, wo der größte Teil des Feinstaubs vom Teppichklopfen kommt, verbracht hat, bist du natürlich nicht geübt darin, die Luft, die sich zwischen den Dreckpartikeln versteckt, zu finden...“ – dies mag tatsächlich ein Grund dafür sein, dass ich mit der mongolische Verkühlung lange zu kämpfen hatte. Wie soll man bei dieser Luftqualität eine Erkältung auch auskurieren? Da helfen wohl auch keine Regenraketen mehr (sehr richtig, der Regen wird hier gerne auch einmal künstlich erzwungen). 


Aussicht nach Regenraketen

 
"Aussicht" bei Smog


Abgesehen davon, dass wir die mongolische Kälte mit nach Peking gebracht haben sind die  Herbsttage wirklich schön, die gelben Blätter verleihen dem Campus eine malerische Atmosphäre. Ich empfinde Peking nebenbei bemerkt als äußerst „grüne“ Stadt – es gibt allerorts wundervolle Parkanlagen, in denen die Einheimischen Taichi praktizieren. Wie die Luft wohl ohne all die Bäume wäre?

Nach gut drei Wochen Genesung sollte ich genug Kraft gesammelt haben den Taishan, den berühmtesten der fünf Berge des Daoismus zu besteigen. Es ist unvorstellbar was es bedeutet 7000 Treppenstufen zu bewältigen! Das Wetter war auch nicht auf unserer Seite, aber noch waren wir davon überzeugt, dass es nicht das falsche Wetter, sondern nur die falsche Bekleidung geben würde… 




Während sich die anderen an den Schmerzen in den Beinen erfreuten und Lieder sangen, wurde ich zunehmend aggressiver. Nach knapp drei Stunden Aufstieg in der Nässe war ich der Verzweiflung nahe, als ich erfuhr, gerade die Hälfte der Treppenstufen gemeistert zu haben. Kein Ende in Sicht – im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Dunkelheit brach ein. Es musste mit Taschenlampen weitergehen, ein Zurück gab es nicht mehr. Erschwerend wurde der Regen zu Eisregen und schließlich gerieten wir in den ersten Schneesturm des Jahres. 


Die eigentlich so sehr beliebte Touristenattraktion war menschenleer, wir blieben die einzig Verrückten...

Die folgenden beiden Stunden habe ich kein Wort mehr gewechselt. Neben der enormen körperlichen Anstrengung bedarf das Treppensteigen einer unglaublichen Konzentration. Nach ZEHN! Kilometer Treppenmarathon erreichten wir die Spitze des Berges, wo wir uns in einem Hostel aufwärmten und trockneten (relativ!) – es gab heiße Fischsuppe. Hier wollten wir die restliche Nacht verbringen. Unser Zimmer erinnerte mich stark an die Mongolei: keine Heizung, kein fließend Wasser. Zum Glück hatten wir zu fünft nur drei Betten, sodass wir uns gegenseitig etwas wärmen konnten.
Nach stolzen vier Stunden Schlaf starteten wir wieder in den Tag, um uns unsere Belohnung abzuholen und den einmaligen Sonnenaufgang zu bewundern:




Wer die vorherigen Blogeinträge fleißig gelesen hat, sollte bemerkt haben, dass es sich hierbei um den Sonnenaufgang von Daniel in San Francisco handelt, hab ein Späßle gemacht!:) :) :) Natürlich hatte sich der Schneesturm weiter dramatisiert und alles was man vom Sonnenaufgang mitbekam war, dass die Dunkelheit grau bis hellgrau wurde:




Nun hieß es wieder bergab. Wie ein Wunder ist bei diesem ungleichmäßigen, steilen Abgang niemand ausgerutscht. Welch gelungener Ausflug… … …


 

Überglücklich war ich darüber, dass meine Erkältung tatsächlich überwunden schien, kein Rückfall. Zu früh gefreut? Eigentlich sollte ich gerade 1200km westlich in Xi’an sitzen und die berühmte Terrakottaarmee bewundern, doch da hat mir meine Lunge einen Strich durch die Rechnung gemacht: als sich nach einer guten Woche die nächste Erkältung ankündigte beschloss ich schnurstracks zum Arzt zu gehen, um dem Ganzen ein Ende zu setzen. Denn die Zeit in Peking verstreicht wirklich wie im Flug und es gibt noch so viel zu sehen und zu erleben (nur so als Relation: Unser anfängliches Hostel liegt sehr zentral. Damals habe ich bewusst keine Fotos von der Fußgängerzone gemacht, ich würde doch sicher nahezu jedes Wochenende dort sein… Seitdem war ich nie wieder in der Innenstadt!). Um auf Nummer Sicher zu gehen habe ich mich auf die weite Reise in ein internationales Krankenhaus gemacht. Der erste Eindruck ließ zu wünschen übrig, doch als ich den Schildern Richtung „International patients area“ folgte wurde die Atmosphäre zunehmend freundlicher und hygienischer! Die Anfahrt dauerte wesentlich länger als der Aufenthalt, Traditionelle Chinesische Medizin und Vitamin C sollten die Erkältung bekämpfen. Mein Bauchgefühl ließ mich skeptisch bleiben, sodass meine liebe Mitbewohnerin einfach ihre Sprachpartnerin angerufen hat und uns zusammen ins Unikrankenhaus geschickt hat, von dem man doch eigentlich sagt, dass sogar Kerngesunde krank wieder herauskämen... Nach einem Blutschnelltest und einem Röntgenbild, welches jetzt unseren Kühlschrank verschönert, wurde mir die Diagnose Lungenentzündung übersetzt.  




  
Ich solle zwei Tage an die Infusion und daraufhin noch drei weitere Antibiotikum nehmen. Ein unschönes Gefühl in Peking an die Infusion zu müssen, aber da sie gefühlte zehn Stunden durchtropfte hatte ich genug Zeit mich daran zu gewöhnen. 






Verunsichernd auch, dass die Ärztin minutenlang redet und meine Begleitung lediglich einen Satz übersetzt…aber sie wird hoffentlich die Quintessenz rausgesaugt haben?! Jetzt heißt es für mich abwarten und die Medizin wirken lassen, notfalls tatsächlich nochmal abklären… … … da die Erfolge bislang noch zu wünschen übrig lassen, bin auch ich jetzt stolze Maskenträgerin, filtert die Luft überraschend gut und sieht ganz reizend aus:




... Zeitgleich galt es in der Universtität ein Filmprojekt durchzuführen. So haben alle Austauschstudierenden die Aufgabe einen Film über ihr neues Leben in Peking zu drehen. Hierbei handelt es sich um einen kreativen Wettbewerb, der einen kleinen Anteil der Endnote ausmachen soll. Natürlich assoziierten wir unser Leben als erstes mit chinesischen Toiletten, Smog und Chaos, beschlossen dann aber doch das ganze „light“ zu halten und ich finde das Video ist wirklich entzückend geworden… angelehnt ist es an das Musikvideo „Beijing huan ying ni“ (Peking heißt dich willkommen), welches vermutlich in Olympiazeiten zu Werbezwecken aufgenommen wurde. Es stellt genau jene wundervollen Orte Pekings vor, von denen „chinabegeisterte“ Touristen so schwärmen… die haben hier ja auch noch keinen Alltag gelebt;)  In unserem Fall heißt die "Beida", die Peking Universität, willkommen. Nun, da meine gesanglichen Fähigkeiten ohnehin zu wünschen übrig lassen, habe ich es in Zeiten der Lungenentzündung dann leider wirklich nur noch zum besseren „Lalala“ geschafft, aber seht selbst. Ohrwurm garantiert!  


                                   

Falls jemanden als Vergleich das Original interessiert:




Natürlich wurde neben Erkältungauskurieren und Zwischenprüfung wieder Pekingintern viel angeschaut, hier einige Eindrücke:


Unglaublich schön, was sich direkt neben dem Universitätsgelände verbirgt, auf der anderen Straßenseite, vermutlich größer als ganz Tübingen und in Reiseführern kaum erwähnt: die Ruinen des alten Sommerpalastes.






Auch unweit der Uni: der neue Sommerpalast. Eine riesige, idyllische Parkanlage mit Pagoden und Tempeln. Peking von seiner märchenhaften Seite, keine Hauch mehr von Industriehochburg (bis auf die Luft!)





Und auch der Himmelstempel ist ein sehr friedlicher, traditioneller Fleck inmitten der Großstadt




 
Wie in einer anderen Welt fühlt man sich, wenn man den alternativen Artdistrict in einem alten Fabrikgelände besucht. Süße Cafes, kleine Gassen, Kunst „aller Art“ und die Möglichkeit für ein klein bisschen Kritik.

Apropos Kritik: 

Vergangene Woche fand in Peking der Parteitag statt. Vermutlich hat man inhaltlich auf der restlichen Welt mehr davon mitbekommen, als in Peking selbst. Was wir in diesen Tagen aber sehr wohl zu spüren bekommen haben waren verschärfte Passkontrollen und reihenweise Probleme mit der freien Internetnutzung, unglaublich!

Ebenso unglaublich: In China bekommt das Wort Zentralheizung eine völlig neue Bedeutung. Tatsächlich wird im ganzen Land an einem Stichtag die Heizung eingeschaltet, noch heißt es Wärmflasche und Tee!


Abschließend wieder etwas zum Schmunzeln:
 

Liebe Julia, du hast mit dem Kürbis gut vorgelegt, aber auch hier gibt es große Früchtchen.

 

Suchbild ...


Ich glaube Pekinger Winter sind kalt...
  
Und wen schon immer mal interessiert hat wie so ein Zeichen eigentlich zu Stande kommt: "fen" bedeutet Puder/ Pulver (man hätte doch auch einfach ein paar Pulverpünktchen malen können?!). Ihr glaubt nicht wie viele absurde Eselsbrücken ich mittlerweile in meinem Kopf habe, um all das zu behalten! 



Ich wünsche euch allen ein schönes Wochenende oder sogar unvergessliche Thanksgivingferien! Ich denke ganz viel an euch und wünsche mir jetzt einfach wieder gesund zu werden *seufz. Besonders hoffe ich, dass wir damit endlich genug Patienten im Freundeskreis hatten, genießt eure Zeit weiterhin! <3