Samstag, 2. März 2013

Zufällige Eindrücke aus Puebla

In den letzten Wochen habe ich immer mal wieder einige zufällige Eindrücke aus meiner Zeit in Puebla festgehalten, da ich immer noch dabei bin, die ganzen Erlebnisse zu verarbeiten. Reihenfolge ist zufällig und die Liste ist natürlich nicht vollständig.

Grüße besonders an Flici und David, vielleicht kommt euch irgendetwas davon bekannt vor ;-)

·         Hühnchen ist eine vegetarische Mahlzeit.

·         Der Ausdruck „zu spät“ existiert in der mexikanischen Sprache nicht. Es ist also nicht selten, dass man auf eine Verabredung etwa 2-6 Stunden warten muss. Und wenn man selbst zu spät kommt fällt das entweder sowieso keinem auf (weil nur die wenigsten Menschen eine Uhr tragen) oder es ist vollkommen in Ordnung.

·         Pünktlich sein gilt als schon - fast - unhöflich.

·         „Chingar“ ist das wohl wichtigste mexikanische Universalwort, das gibt es in jeglichen Abwandlungen von chingadazo, chingón, chingada, chin, chingo uvm. und hat je nach Kontext mehr als 30 verschiedene Bedeutungen.

·         Den Führerschein kann man günstig kaufen, man muss nur einen sehr simplen Theorietest bestehen und benötigt keine einzige Fahrstunde.

·         In meinem Viertel ist fast jede Woche einmal der Strom ausgefallen, weil ein Auto gegen einen Strommast gefahren ist.  Siehe Führerschein ;-)

·         Mexiko hat den weltweit höchsten Coca-Cola-Konsum. Wenn man bei einem Familienessen um ein einfaches Glas Wasser bittet, muss man tatsächlich manchmal mit verwirrten oder überforderten Blicken rechnen.

·         Gleichzeitig hat das Land die höchste Rate an übergewichtigen Kindern, sogar noch vor den USA.  Siehe Coca-Cola ;-)

·         Staatliche Bevormundung gibt es nur in der Theorie. Man kann also de facto tun und lassen, was man will und sein Leben sehr viel mehr nach eigenem Ermessen gestalten.

·         In der Medizin gilt die Devise „viel hilft viel“. Bei leichtem Halsweh bekommt man gerne mal eine Packung mit 8 Spritzen und undefinierbaren, säurehaltigen Substanzen als Inhalt. Was man sich da letzten Endes spritzt, weiß fast keiner, denn Packungsbeilagen gibt es nicht. Kleiner Tipp: Bloß nicht in den Hintern spritzen, sonst kann man vier Tage lang nicht mehr sitzen…

·         Deutsche haben in Mexiko, zumindest in Puebla, einen sehr guten Ruf: Wir gelten als fleißig und arbeitsam, ordentlich, höflich und pünktlich und sind besonders begehrt auf dem Arbeits- und Heiratsmarkt :-D  

·         Eine mexikanische Friseurin (die anscheinend noch nie nicht-mexikanische Kundschaft hatte) hat mich gefragt, warum denn meine Haare so hell und fein seien, ob das denn an der schlechten Wasserqualität in Europa liege? (!?!?!?!) Ähm… ja, genau :-D

·         Der Begriff „estrés“ (Stress) wurde erst im Jahr 1950 aus dem englischen importiert.

·         Es wird noch viel stärker als hier in soziale Schichten unterteilt und es ist sehr wichtig, durch Kleidung, Auftreten und Statussymbole seine Schichtzugehörigkeit zu zeigen. Entweder man ist also „naco“ (Pöbel) oder „fresa“ (Snob), dazwischen gibt es nicht besonders viel.

·         Die Vorstellung von Ästhetik ist ganz anders. Was ein Deutscher vermutlich als kitschig, übertrieben oder billig empfinden würde, gilt dort als schick. Zur Feier des 15. Geburtstages tragen Mädchen also Prinzessinenkleider in grellen Farben, die in meinen Augen eher einem angemalten Kopfsalat ähneln.

·         Das Land erstreckt sich über drei Zeitzonen und hat sowohl, subtropisches, alpines als auch Wüstenklima. Man kann innerhalb von wenigen Stunden von der tropischen Strandhitze in die verschneiten Höhenlagen fahren.

·         In Puebla gibt es genau 365 Kirchen, für jeden Tag im Jahr eine.

·         Aus Puebla kommt „Mole poblano“, eine weltberühmte Soße mit 35 bis 75 (!) verschiedenen Zutaten, unter anderem sage und schreibe 18 (!) verschiedenen Chilisorten.

·         Puebla hat fast 1,5 Millionen Einwohner und trotzdem fast nur  Einfamilienhäuser.

·         Für ein großes Zimmer in einem komplett eingerichteten Einfamilienhaus mit Garten und in guter Gegend und allem drum und dran musste ich nur knapp 120 € im Monat zahlen.

·         Ich hatte wohl das größte soziale Netz meines Lebens in Mexiko. Trotz der kurzen Zeit hatte ich das Gefühl, einfach jeden irgendwie zu kennen. Und es ist tatsächlich so: Im Alltag verzichtet man auf jegliche europäische Distanz und Schüchternheit und unterhält sich einfach mit jedem: mit dem Sitznachbar im Bus, mit dem Mann vom Einkaufsladen um die Ecke, mit dem Wäschereibetreiber, mit dem Fitnessstudiobesitzer, mit den Professoren…

·         Es gibt nicht diese strikte Trennung von Arbeit und Freizeit. Theoretisch arbeiten Mexikaner also den ganzen Tag lang, die Arbeit besteht aber zu großen Teilen aus Essen, Rauchen, Telefonieren und Facebook. Eine meiner Professorinnen bekam während der Vorlesungen regelmäßig Anrufe von ihrem Ehemann, der wissen wollte, was es denn zum Mittagessen gäbe J Mexikaner arbeiten also mit halber Konzentration, sind dafür aber oft von frühmorgens bis spätabends auf der Arbeit. Das gleicht sich somit quasi (fast) aus.

·         Während man in Deutschland stets bemüht ist, das Bild von einem – übertrieben formuliert - gesitteten, tugendhaften und arbeitsamen Menschen zu wahren (oh Graus, der Chef könnte ja mitbekommen, dass man gerne feiert!!), spielt das in Mexiko kaum eine Rolle. Sein Privatleben kann man gestalten wie man möchte und auch als angesehener Professor in Facebook zelebrieren. Wichtig ist, dass man seine Arbeit erledigt, danach kann man saufen und feiern, wie man möchte. Und das tun alle zusammen und pfeifen auf die Hierarchie J

·         Erstaunlicherweise habe ich sehr viele Mexikaner kennen gelernt, die nicht schwimmen können. Trotz so viel Meer…?

·         Ich liebe die riesige Vielfalt an sprachlichen Interjektionen:  Órale!, Híjol!, Ándale!, Guácala!, Quiubole?, No mames! No manches!, No inventes!, A poco?!, Asssssu madre!, Qué pedo? Que padre!, Que poca madre ! Que chido ! Ni madre ! Ni modo ! Ni pedo ! Me late !, Me vale madre/gorro ! Me caga ! Qué oso ! Carajo ! Rayos !  uvw.  Ein Gespräch ist also selten auf rein sachlicher Ebene sondern endet fast immer in einer Schlacht aus Gefühlsausrufen.

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