Nun bin ich vor etwa einer Woche in meiner neuen Heimat bis
Sommer in Grenoble/Frankreich angekommen und wurde zu meiner Entzückung gleich
von Schneestürmen empfangen.
Man kennt ja nun das allgemeine Anfangsprozedere: Viele Behördengänge,
Kurswahl, Sprache lernen, Wohnungssuche, Versicherungen, Bankkonto, Einleben, Freunde
finden… Die Aufregung hielt sich diesmal
aber in Grenzen, ist ja schließlich nicht mehr das erste Mal und schon alles
Routineübung ;-) Was aber nicht heißt,
dass es diesmal einfacher lief. Während in Mexiko das meiste recht
unbürokratisch ablief (zumindest über Beziehungen oder Schmiergeld), fühle ich
mich hier manchmal eher wie im „Haus, das Verrückte macht“ aus den
Asterix-Filmen J.
Um ein Handy zu kaufen, braucht man vorher einen
Handyvertrag, den man aber nur kaufen kann, wenn man schon ein Bankkonto eröffnet
und die Karte erhalten hat, was man aber nur bekommt, wenn man schon einen
festen Wohnsitz und einen Studentenausweis hat, den man aber nur bekommt, wenn
man schon eine Versicherung hat für die man aber wiederum wieder ein Bankkonto
braucht. Und um das alles zu erledigen ist ein Handy ganz hilfreich, womit wir
wieder am Anfang angekommen sind…
Perfektes Kontrastprogramm zu Mexiko: Kälte, Moderne,
Struktur und Genauigkeit… und ja, diesmal möchte ich tatsächlich auch ein wenig
ernsthaft studieren. Nachdem ich in Mexiko – ich zitiere einen Mexikanischen
Freund – „VWL für geistig zurückgebliebene“ studiert habe, möchte ich mich hier
in Grenoble in Sciences Po (Politikwissenschaft) und Soziologie probieren. Und ich möchte wieder ein wenig Sport machen
und meine 5 Kilo mexikanisches Hüftgold in stahlharte Muskeln verwandeln :-D
Natürlich vergleicht man immer mit dem schon Bekannten. Interessanterweise
vergleiche ich nie mit Deutschland, sondern immer nur mit Mexiko. In Mexiko hat
sich das alles nicht wirklich wie ein Auslandssemester angefühlt. Ich habe mich
irgendwie schon ein bisschen wie eine von denen gefühlt, ging normal zur Uni, hatte
einen mexikanischen Freund, hab mittags bei irgendeiner Mutti von Freunden gegessen
und war am Wochenende auf Familienfesten oder -ausflügen. Teilweise habe ich
wochenlang am Stück kein Wort Englisch oder Deutsch geredet.
Hier ist das anders, diesmal ist das wohl so ein klassisches,
typisches Erasmus-Semester. Ich glaube, hier bin ich schon etwas gefangen in
der Erasmus-Blase, die in Mexiko einfach nie existiert hatte. Mein Umgang ist
hauptsächlich international und ich rede fast nur Englisch. Ich habe keine
Vorstellung, wie französische Familienfeste sind und habe auch keine großen
Hoffnungen, zu so etwas eingeladen zu werden. Man lernt so natürlich nicht
minder interessante Leute kennen, aber ich fürchte, eine gewisse Grenze, was
die sprachlichen und kulturellen Feinheiten betrifft, werde ich wohl hier nicht
überschreiten können. Die Franzosen sind immer super hilfsbereit und freundlich
aber doch ein wenig distanzierter als das, was ich im letzten Semester erlebt
habe. Noch haben aber die Vorlesungen nicht angefangen und ich bin gespannt,
was in den nächsten Wochen passieren wird. Andererseits merke ich aber, dass die Kultur und das Land an sich schon eher mir selbst entspricht. Ich mag es sauber, ich mag es gut organisiert und strukturiert und ich mag auch alle vier Jahreszeiten. Es ist schon sehr ähnlich zu Deutschland, aber bekanntlich steckt der Teufel im Detail :-) Ich bin gespannt, ob ich auch hier einen Bilderbuchkulturschock mit allen Höhen und Tiefen erleben werde, oder ob der diesmal eher unbemerkt an mir vorbeizieht.
Ich hielt mein Französisch anfangs für gut. Bis mir auffiel,
dass das vermutlich alle Austauschstudenten über ihre Sprachkenntnisse denken,
die hauptsächlich mit anderen Austauschstudenten zu tun haben. Als ich dann im Flur mit meinen französischen
Mitbewohnern saß und alle durcheinander geredet haben, war das doch etwas
ernüchternd. Ich mag das Gefühl nicht, körperlich bei etwas dabei zu sein, aber
geistig (sprachlich) nicht folgen zu können. Dazu kommt: Wer in Frankreich
sprachlich gewandt ist, gilt als intelligent… und leider umgekehrt. Die Sprache
ist der wichtigste Schlüssel zum Zugang einer Kultur. Ich möchte so gerne
eintreten und mich umschauen und einige Dinge vielleicht mitnehmen. Aber noch
fehlt mir das Werkzeug, noch fühle ich mich wie ein Läufer ohne Schuhe, es geht
schon, aber es geht noch nicht gut. Genau dasselbe habe ich auch anfangs in
Mexiko gefühlt. Das Schöne ist, dass dieses Gefühl am Ende komplett verschwunden war und
hier hoffentlich auch bald schon verschwinden wird.
Meine Wohnsituation im Studentenwohnheim ist recht spartanisch,
aber ich habe mich daran gewöhnt. Ich war schon etwas überrascht, dass es keine
wirkliche Küche, kein Geschirr, Kühlschränke und sowas gibt. Wir haben nur eine
Dusche für 14 Leute. Gottseidank bin ich ein Nachtduscher, sodass ich selten
warten muss J. Am Anfang ging weder Licht noch Heizung, bis
der Hausmeister das geregelt hat. Ich
habe also mit kompletter Montur (Jacke, Mütze…) und sechs (!) Bettdecken
geschlafen und immer noch gefroren. Aber der Preis (150€) und die unmittelbare
Nähe zur Uni sind dann doch unschlagbare Argumente, hier zu bleiben.
Ich bin sehr gespannt, was in den näcshsten Wochen und Monaten noch passieren wird. Fotos gibt's noch keine, dafür war ich bisher zu faul.
Übrigens gibt's mich für's erste jetzt nur noch in dunkelbraun (die Haare, nicht die Haut ;-)
Grosses bises de Grenoble! Bin jetzt schon in Vorfreude auf Tübingen im Herbst mit euch :-*